17. Juni 2012

Lone Survivor

Mensch, ist mir langweilig. Schauen wir mal, was ich für Spiele spielen könnte. ...Nein. ...auch nicht. ...keiner da zum Mitspielen. ...na gut, dann schaue ich halt auf Steam, was es dort für neue Sachen gibt. ...Nein. ...auch nicht. ...wtf?! ...keiner da zum Mitspielen. ..."Lone Survivor"? Okay, der Trailer ist sehr atmosphärisch und stimmig gemacht. Probiere ich das mal aus. Kostet ja nur paar Euro. Aber beim genaueren Hinsehen: das sieht doch verdammt nach Silent Hill aus! Nur in einer pixeligen 2D-Grafik. Kann ja nicht funktionieren! Na mal schauen...

*Knapp drei Stunden später* Ich muss schon so dringend aufs Klo und ich trau mich einfach nicht. Fuck you, Lone Survivor! >_<






Etwas, was wenige von euch wissen, ist, dass der Psychohorrortitel Silent Hill 2 mich damals so sehr traumatisierte, sodass ich lange, dunkle Korridore für ein halbes Jahr nur noch mit Beleuchtung durchschreiten konnte. Lone Survivor erzielte einen ähnlichen, wenngleich aber bei weitem nicht so radikalen Effekt. Zwar wurde mir beim Verlassen meines Zimmers bisschen flau in der Magengegend und es stellte sich leichte Gänsehaut auf, aber den bleibenden Eindruck seines offensichtlichen Vorbildes konnte dieses Spiel nicht erreichen und ich schlussendlich doch die Toilette aufsuchen.

In dem Spiel steuert ihr einen namenlosen Helden, welcher scheinbar ein Ereignis überlebt hat, welchem viele der Menschen in seiner Stadt zum Opfer fielen. Über die Grenzen des Ortes hinaus, in welchem die Handlung spielt, erfährt man gar nichts. Nun durchstreifen mumienhafte, fleischfressende Wesen die Straßen und unser Namenloser versucht sich Tag für Tag durchzuboxen, diesen bedrohlichen Geschöpfen auszuweichen, sich vor ihnen zu verstecken und nach Nahrung Ausschau zu halten. Auch die Suche nach anderen Überlebenden steht an der Tagesordnung. Mit den Pfeiltasten bewegt man sich durch die Gegend, mit der Leertaste öffnet ihr euren Rucksack und mit der X-Taste interagiert ihr mit Gegenständen. "Tag für Tag" ist übrigens ein sehr wichtiger Aspekt des Spieles. Ihr müsst nämlich regelmäßig schlafen, wodurch ihr auch euren Fortschritt speichert, und essen, damit ihr bei mentaler Gesundheit bleibt und nicht dem Wahnsinn der Isolation verfallt. Ihr könnt sogar mit einem Gameboy spielen oder mit einer Pflanze oder einem Kuscheltier reden, damit ihr bei Verstand bleibt. Am Ende des Spieles warten nämlich satte vier verschiedene Abspänne auf euch, je nachdem, wie ihr euch während des Spieles verhalten habt und wie gesund euer geistiger Gemütszustand ist. Namenlos fragt sich des Öfteren sogar, ob er sich viele Sachen nicht einfach nur einbildet und er in eine Art Traumwelt gefangen ist, oder er sich gar in einer Parallelwelt befindet. Diese Fragen werden euch in den verschieden Enden näher "erläutert". "Erläutert" setze ich deshalb unter Anführungszeichen, da der Entwickler Jasper Byrne sehr viel wert darauf legte, den Spieler zu eigenen Interpretationen anzuregen, und sagt euch dementsprechend nie, was nun wirklich die absolute Wahrheit ist. Diese Designentscheidung mag einige, die gerne eine abgeschlossene, aufgeklärte Handlung haben, enttäuschen, aber andererseits regt es immens an, das Spiel nochmal und nochmal durchzuspielen, um verschiedene Lösungsansätze für gewisse Situationen auszuprobieren.


Namenlos betrachtet einen zerbrochenen Spiegel. An 
der Schrift ist sehr schön die 16 Bit Grafik zu sehen.


Ihr könnt euren lebensbedrohlichen Gegner nämlich nicht nur schleichend ausweichen, sondern ihnen einen Köder hinlegen, sie mit einer Leuchtgranate blenden oder sie ganz einfach mit einer Pistole richten. Aufgrund der geringen Spieldauer eines Durchganges, bleibt die Pistole eure einzige Waffe. Aber generell ist es zu empfehlen, den Gegnern auszuweichen, da unser Protagonist nicht der Gelenkigste zu sein scheint und im näheren Zweikampf doch sehr träge zu steuern ist und ihr aufgrund dessen gelegentlich den Game Over-Schriftzug zu sehen bekommt. Beim ersten Durchgang werdet ihr aber wahrscheinlich alles umnieten, da es einfach die sicherste Variante ist. Die besagte Inflexibilität der Hauptfigur ist aber durchaus gewollt, da sie ebenfalls ein allgegenwärtiges Gefühl der Beklemmung erzeugt. Hardcore-Shooter-Fans werden hier vergeblich Unterhaltung suchen. Die Monster werden, genau wie in Silent Hill, per Radiostörsignal vorangekündigt und je näher man ihnen kommt, desto lauter und knisternder wird das Geräusch. Eine Gesundheitsanzeige gibt es nicht und euch wird mangelnde Körperkraft nur via eines leisen pochenden Herzschlages und einem röter werdenden Bildschirm (falls man diese Farbe sehen kann -_-) signalisiert. Heilen könnt ihr euch mit diversen Medikamenten, welche sich ebenfalls auf eure Psyche auswirken, Getränken und Lebensmitteln. Letztere können hinterhältigerweise tödlich sein, da manche Nahrungsgegenstände bereits verdorben bzw. abgelaufen sind.


Lone Survivor ist ein sehr durchdachtes Horrorabenteuer mit einer enorm aufwendig erarbeiteten Grusel- und Endzeitatmosphäre, welche durch den bedrückenden Soundtrack hervorragend unterstützt wird. Die Grafik scheint für viele zwar gewöhnungsbedürftig zu sein, aber lasst euch davon bitte nicht abschrecken! Dieses Spiel ist nicht nur den Kauf, sondern gleich mehrere Durchläufe wert, und neben Amnesia: The Dark Descent wahrscheinlich das beste bzw. einprägsamste Horrorspiel seit Silent Hill 2.


santi


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